Liebe ÖkoInteressierte

Die Blutbuche stand über Generationen an der Paradiesstrasse. Ihr Zustand ist miserabel. Sie wird am Samstag gefällt.

Beat von Scarpatetti, Gründungs- und Vorstandsmitglied der Ökogmeinde, stellt den grösseren Zusammenhang in einem Leserbrief her.

«Zustand miserabel»

Es ist schmerzlich, im Gemeindeblatt lesen zu müssen, dass sich unsere stolze alte Blutbuche, mit der «Krone» zusammen Wahrzeichen des Binninger Kronenplatzes, 2004 vor dem Kreisel gerettet, in «miserablem Zustand» befinde. Als offenbar einzige mögliche Konsequenz folgt das Schreckensargument «Sicherheit»: sie muss fallen, per sofort. Wie steht es denn um unsere «Sicherheit»?

Seit 1968/72 mahnt uns der «Club of Rome», die Wirtschaftsprominenz der Welt, dass wir es mit Wirtschaftswachstum, Ressourcen- und Umweltschädigungen bös überzogen haben und noch überziehen. In der Binninger Geschichte (2004, S. 428) ist zu lesen, dass 2003 gemäss kant. Statistik im Tag 58'000 Motorfahrzeuge durch Binningen fahren, heute sind es noch mehr geworden. Die Blutbuche hat das in drei Metern Distanz zum rücksichtslosen Verkehrsstrom zu erdulden. Ein Wunder, dass sie nach so langem Immissions-Leiden, mit Lärm, Staub, Pneuabrieb, Stick- und Kohlenstoffverbindungen, noch jeden Frühling ausschlägt — ausser sie muss jetzt in wenigen Tagen fallen.

Was haben wir in den jetzt 50 Jahren nach dem Club of Rome getan? Tendenziell sind die Fahrzeuge noch breiter, wuchtiger und schwerer geworden; das Strassennetz ist riesig verbreitert worden, neue Strassen und Tunnels die Menge sind noch vielerorts in Planung, Verkehrseinschränkungs-Initiativen und ein (noch sehr braves) CO2-Gesetz, und bis jetzt auch noch Tempo 30 innerorts, werden abgelehnt.
Eine Analogie ist angesichts dessen nicht von der Hand zu weisen betreffend unseren Wohnsubstanz-Ressourcen: wir erleben derzeit allenthalben, und vor allem in Binningen, wie noch nie das Fällen von Häusern mit noch sehr guter Bausubstanz und vor allem prächtigen Gärten samt ihren Bäumen. Von ExpertInnenseite wird aber heute mit Nachdruck aufgerufen, vorhandene Bausubstanz nicht abzureissen, sondern zu integrieren, Gartensubstanz zu erhalten. Trifft exakt zu auf unsere Buche und das sehr schöne Haus der alten Gemeindebibliothek mit ihrem hübschen Garten der 30-er Jahre.

Summa summarum drängt sich da eine Erkenntnis auf: ist hier nicht ein Fehler schon rein im Logik-System? Wird da nicht die Falsche gefällt? Nämlich die Schatten, Kühle, Sauerstoff und Schönheit spendende Rotbuche? Während doch die andere Seite gestraft gehört? Jeder Zynismus sei uns fern: aber wäre es nicht langsam an der Zeit, die Leidenswarnung unseres Baumes, unserer Wälder, unserer Meere, unserer Artenvielfalt, endlich ernst zu nehmen? Andernfalls ist eines wasserklar: dann nehmen wir uns definitiv selbst nicht mehr ernst.

Beat von Scarpatetti
Autor Binninger Geschichte (2004)

Betrübte Grüsse

Daniel Egli

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